Er ist mein Schreib-Vorbild, mein Freund, mein Mentor. Zu Recht, wie der folgende Gastbeitrag zeigt.
Michael Bürkle
Warum ich schreibe
Ich schreibe gerne. Schreiben ist für mich Denken mit dem Hang (oder Zwang) zur Genauigkeit und zur Verständlichkeit. Wenn ich schreibe, möchte ich genau sein. Durch das Schreiben stelle ich fest, wo meine eigenen Gedanken noch nicht ganz vollständig sind und wo es noch einer Nachbearbeitung bedarf.
Immer schon. Fast immer.
Meine erste Publikation gelang mir 1973, mit 16. Mit einem Gedicht über den Frieden hab ich einen Aufsatzwettbewerb zur Weihe der Friedenskirche Bürs gewonnen. Der Text wurde in der Festschrift zur Kirchweihe abgedruckt – und letztes Jahr beim Seelensonntag vorgelesen. Ohne dass ich davon wusste.
Während meines Studiums habe ich viel geschrieben: Seminararbeiten u. dgl. sowieso; oder in Institutszeitungen für meine Mitstudierenden. Ich war Studienrichtungsvertreter und habe im Schreiben meine Sinne für Problematisches und Problemlösungen geschärft. Ich habe als Assistent an der Uni einige wissenschaftliche Publikationen verfasst – auch da ging es immer um Genauigkeit. Ich habe als Lehrer in pädagogischen Zeitschriften publiziert. Ich war Politiker – politischer Geschäftsführer und Gemeinderat – und musste da viel schreiben und es musste immer verständlich werden, auch wenn die Zusammenhänge kompliziert waren.
Als Lehrer habe ich noch eine Unter-Art des Schreibens entdeckt: das Optimieren von Texten; vereinfacht das „Korrigieren“. Ich kann sehr gut Stärken und Schwächen von Formulierungen erkennen und als solche beschreiben und begründen. Als Sprachwissenschaftler und Mathematiker habe ich Grammatik, Sprechakttheorie und Logik studiert: das hat mir als Lehrer viel geholfen – und meinen Schülerinnen und Schülern letztlich auch. Ich habe da sehr viel positive Rückmeldungen bekommen. Weniger lustig war das Benoten: das hab ich nie gemocht. Aber Korrigieren heißt ja nicht Benoten; Korrigieren heißt: eine Textintention verstehen und in ihre ideale Form bringen. Das ist auch eine Art Schreibprozess.
Dann wurde ich Schuldirektor und Schreiben war an sich nicht mehr so verlangt. Ich habe trotzdem geschrieben: an meine Studierenden, wenn es wichtige Neuigkeiten gab, die erklärt werden mussten. Und meine Lehrer-Kolleg*innen, oft zu den gleichen Themen, aber mit anderem „Zuschnitt“, weil anderes Vorwissen anzunehmen war. Und an die Obrigkeit. Zu Corona-Zeiten war da viel zu tun. Ich habe immer versucht, genau und gut lesbar zu formulieren – und es ist mir oft gelungen. Ich wollte, dass man meine Texte gerne liest und sie leicht versteht.
Der Schritt zur „Selbständigkeit“: mein Blog
Seit ungefähr 9 Jahren habe ich mein eigenes Medium: meinen Blog www.buerkle.work. Da schreibe ich vor allem über Bildung, Politik, Bildungspolitik und andere Felder, die mich interessieren und wo ich das Gefühl habe, einer allgemeinen Diskussion etwas Substanzielles beitragen zu können. Entstanden ist der Blog aus Sachverhalten, die im Schulkontext wichtig waren: so kam es zur Domain „work“. Das waren zunächst Berichte aus meiner Arbeit.
Mein Blog war ein Schritt zu einer publizistischen Selbständigkeit: ich habe mir mein eigenes Medium gemacht. Ich will mit dieser Selbständigkeit kein Geld verdienen: mein Blog ist eine werbefreie Zone im Internet. Leider habe ich damit auch das Feedback von Redaktionen oder Herausgebern verloren. Ich habe gehofft, dass ich dafür das Feedback von meinen Leserinnen und Lesern bekommen werde.
Ich bin in dieser Sache mit meinem Blog gescheitert: ich wollte qualitativ gute, argumentativ anspruchsvolle Diskussion ermöglichen. Man kann zu jedem meiner Blogbeiträge Diskussionsbeiträge verfassen: ich muss die dann freigeben, bevor sie erscheinen. Regel für diese Diskussionsbeiträge ist, dass sie sich an die übliche „Netiquette“ richten, dass sie also nicht beleidigend oder unwahr sind. Veröffentlicht werden sie unter dem Namen, den die Schreiberin / der Schreiber angegeben hat – also oft auch unter Pseudonym; ich brauche freilich immer eine Mail-Adresse, die aber nie veröffentlicht wird. Bisher konnte ich alle postings veröffentlichen außer einem, das in chinesischen Schriftzeichen verfasst war. Da konnte ich nicht nachvollziehen, ob sich das inhaltlich an die Regeln hielt.
9 Jahre Blogger
Nach ca. 9 Jahren Tätigkeit als Blogger bin ich nun bei ca. 1.500 veröffentlichten Texten angelangt (und ca. 50, die im Entwurfsstadium liegen geblieben sind) und nur (!) ca. 1.100 Diskussionsbeiträgen, von denen einige eh von mir selbst sind: als Antworten auf die anderer Menschen. Als Leiter eines argumentativ hochstehenden Diskussionsforums bin ich damit wohl oder übel gescheitert. Ich hätte mir die Diskussion deutlich „reger“ vorgestellt und erhofft.
Trotzdem
Trotzdem schreibe ich und freue mich, wenn sich jemand mit Diskussionsbeiträgen meldet. Immer wieder bekomme ich von Menschen, die ich nicht kenne, plötzlich ein posting geschickt. Ich habe keine Ahnung, wie viele Menschen meine Texte lesen. Ich habe ein paar Leser und Leserinnen, die öfter was beitragen, und ich habe Leserinnen und Leser, von denen ich keine Ahnung habe, wo sie leben und wie sie heißen.
Trotzdem schreibe ich, denn Schreiben ist für mich Denken mit dem Zwang zur Genauigkeit und zur Verständlichkeit. Im Schreiben werden unfertige Gedanken „fertig“ und es füllen sich in lückenhaften Argumenten die Lücken. Schreiben hat den Vorteil, dass man sich in Gedanken von Mimik, Gestik und Intonation lösen muss, die in der mündlichen Kommunikation wichtige Rollen spielen. Ja, ich weiß: die junge Generation übernimmt Elemente von Mimik und Gestik mit sog. „emojis“ in ihre Texte: das ist aber nicht mein Ding: das ist mir zu wenig genau. (Was bedeutet denn schon irgendein „smiley“?)
Wie schreibe ich?
Sehr oft werden Textteile bereits im bloßen Nachdenken fertig. Ich scheine ruhig da zu liegen; in Wirklichkeit schreibt „es“ in meinem Hirn. Da werden Textteile verfasst und umgeschrieben und umgestellt und auch wieder verworfen. Dann setze ich mich irgendwann an einen Computer und materialisiere, was sich bisher bloß an Hirnströmen festgemacht hatte. Es bleibt aber Strom: statt Hirnstrom Computerzeichen als Ausdruck von Computerstrom. Sehr viele meiner Texte sehen nie Papier. Ich schreibe mittlerweile ganz wenig mit der Hand: meine Handschrift hat in den letzten 10 Jahren gelitten und deutlich an Regelmäßigkeit und Lesbarkeit verloren.
Mittlerweile bin ich in Pension und die Domain „work“ für meinen Blog ist nicht mehr ganz exakt richtig. Aber ich bin immer noch tätig und da oft schreibend. Insofern stimmt das „work“ wohl immer noch.
Warum?
Warum ich schreibe? Ich machs für meine Leserinnen und Leser … und für mich, für meine Klarheit. Wenn ich nicht schreiben könnte, hätte ich Angst zu verdummen.