Kreativ bleiben – trotz KI

Kreativ bleiben trotz KI

Sie öffnen ein neues Word-Dokument. Und dann sitzen Sie vor einem leeren Blatt. Los geht’s, oder? Beim Schreiben eines Texts ist das für viele der schwierigste Moment: Wie fange ich an? Die Versuchung, schnell auf ein KI-Tool zuzugreifen, ist groß. Denn Künstliche Intelligenz (KI) löst das Problem einer leeren Seite in Sekundenschnelle.

Sogar vor dem kreativen Schreiben machen die Entwicklungen nicht Halt. Von der Ideenfindung bis zur stilistischen Verfeinerung scheinen KI-Tools eine vielversprechende Unterstützung zu bieten. Doch inmitten dieser technologischen Revolution stellen sich zwei entscheidende Fragen:

Frage 1: Wie können wir unsere menschliche Kreativität bewahren und weiterentwickeln?

Dieser Artikel beleuchtet die Chancen und Herausforderungen, die KI für das kreative Schreiben mit sich bringt. Er zeigt Wege auf, wie wir kreativ bleiben können, und wirft einen Blick auf die notwendigen Veränderungen in Bildung und Wirtschaft. Und weil wir wissen, dass wahre Kreativität im Austausch und in der Übung wächst, lade ich Sie ein, tiefer in die Materie einzutauchen, z.B. mit einem Workshop im Schreibatelier.

Das zweischneidige Schwert: KI als Werkzeug im kreativen Prozess

KI kann in vielfältiger Weise kreative Prozesse unterstützen, denn sie

  • analysiert große Datenmenmengen und bringt neue Impulse – so kann sie als Inspirationsquelle eingesetzt werden.
  • steigert die Effizienz, indem sie technische und zeitaufwendige Prozesse automatisiert – mehr Raum für konzeptionelle und kreative Entscheidungen entsteht.
  • liefert neue kreative Ausdrucksformen durch alternative Herangehensweisen und neuartige Kombinationen von Elementen.

Meine eigene Branche, die der Texterstellung, des Content- und Copywritings, aber auch Medien- und Grafikdesign, die Musik-, Film- und Marketingproduktion nutzen KI bereits erfolgreich für Stilvorschläge, Bildgenerierung oder das Optimieren von Software.

Die Kehrseite: Abbau von menschlicher Kreativität

Trotz dieser Potenziale birgt der unreflektierte Einsatz von KI auch Gefahren für die menschliche Kreativität. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass KI zwar kurzfristig die Kreativität steigert, langfristig aber Risiken für den menschlichen Ideen- und Gedankenreichtum bestehen.

Dies zeigt sich:

  • in einer Homogenisierung von Ideen:
    Der vermehrte Einsatz von KI kann zu weniger vielfältigen und originellen Inhalten führen. Eine Studie der University of Toronto (2024) zeigt, dass KI-generierte Ideen die menschliche Kreativität selbst nach Beendigung der KI-Nutzung auf „durchschnittlichere“ Konzepte lenken. Auch eine in Science Advances veröffentlichte Studie belegt, dass KI-unterstützte Geschichten zwar individuell besser bewertet werden, kollektiv aber an Originalität verlieren. Geschichten, die mit Hilfe von KI erstellt wurden, wiesen in einer Studie eine um 10,7 % höhere Ähnlichkeit auf als solche ohne KI-Unterstützung. Diese Tendenz zur Vereinheitlichung könnte langfristig die Vielfalt und Originalität in der Literatur und anderen kreativen Bereichen gefährden.
  • im Verlust kognitiver Fähigkeiten:
    Übermäßige KI-Nutzung kann die Fähigkeit zum unabhängigen Denken reduzieren. Untersuchungen im Bildungsbereich deuten darauf hin, dass die Leistungsfähigkeit bei Prüfungen sinkt, wenn KI vorab für Übungstests genutzt wird. Langfristig könnte dies zu einem Verkümmern kreativer Fähigkeiten führen, vergleichbar mit körperlicher Inaktivität. Die Verwendung von KI zum Generieren von E-Mail-Antworten oder Projektideen führt jedenfalls über kurz oder lang zu einer Veränderung der grundlegenden Fähigkeit, diese Aufgaben selbstständig zu denken und zu erledigen.
  • in einer zunehmenden Abhängigkeit und kognitiven Trägheit:
    weil KI den Einsatz analytischer Denkfähigkeiten minimiert und geistige Faulheit fördert, kann sich darauf negativ auswirken. Studien belegen, dass sich die Entscheidungskompetenz und Eigeninitiative verringern, wenn Prozesse automatisiert werden. Je tiefer KI in Aktivitäten wie Planen und Organisieren eindringt, desto mehr Nachdenklichkeit und geistige Anstrengung werden dem menschlichen Gehirn entzogen. Eine starke Abhängigkeit von KI begünstigt, dass berufliche Fähigkeiten beeinträchtigt werden. Gleichzeitig erhöht sich das Stresslevel, wenn körperliche oder geistige Anstrengungen erforderlich sind. KI minimiert in gewisser Weise die autonome Rolle des Menschen, ersetzt Entscheidungen und kann zu Faulheit in vielen Lebensbereichen führen.
  • in paradoxen Effekten:
    Weniger kreative Personen profitieren oft stärker von KI, da ihre Texte als besser geschrieben und unterhaltsamer bewertet werden. Kollektiv entsteht jedoch ein „soziales Dilemma“, da sich die Bandbreite neuartiger Inhalte verengt und KI ähnliche Narrative generiert, was zu kultureller Monotonie führen kann.

Unsichtbare Veränderung

Was passiert im Gehirn, wenn wir uns beim Schreiben vermehrt auf KI-Tools verlassen? – Ähnlich wie Muskeln verkümmern, wenn sie nicht benutzt werden, können auch Ideenfindung, Rechtschreibung oder die Kompetenz, Texte zu verfassen, nachlassen, wenn diese Aufgaben von Computern übernommen werden. Der wichtigste Weg zur Steigerung der Intelligenz und Kreativität besteht darin, sie durch die Konfrontation mit schwierigen Anpassungsleistungen zu trainieren. Wenn generative KI unsere kreative Arbeit übernimmt, riskieren wir ihren Verlust, weil wir sie nicht aktiv nutzen.

Zudem kann eine starke Interaktion mit Technologie dazu führen, dass wir beginnen, wie Algorithmen zu denken, ohne die tieferen Zusammenhänge zu verstehen. Die Abhängigkeit von KI in fast allen Lebensbereichen verstärkt bei manchen Menschen Eigenschaften wie Ungeduld und Faulheit. Mit dem ständigen Nutzen von KI-Tools schränken wir die Denkkapazität des menschlichen Gehirns ein und verringern die Geschwindigkeit, mit der wir unsere persönliche Intelligenz und Kreativität trainieren. Geistige Fähigkeiten wie intuitive Analyse, kritisches Denken und kreative Problemlösung treten bei Entscheidungen in den Hintergrund, was langfristig zu ihrem Verlust führen kann.

Der bequeme Weg

Es stellt sich nun die Frage: Warum will der Mensch die Anstrengungen vermeiden, die mit einem kreativen Prozess verbunden ist? Sehen wir uns die Aspekte an, die damit verbunden sind:

  • Akzeptanz von Mittelmäßigkeit: Alltägliche Kreativität, die oft reproduzierend ist oder nur geringfügig über den aktuellen Stand hinausgeht, ist tendenziell weniger bedrohlich und einfacher zu verstehen als bahnbrechende Kreativität. Da generative KI primär auf der Rekombination bestehender Ideen basiert, erzeugt sie oft eine solche „alltägliche“ Kreativität, die angenehm und leicht verdaulich ist. Menschen bevorzugen leicht verständliches Material, besonders wenn sie mit etwas Neuem konfrontiert sind.
  • Geringere soziale und wirtschaftliche Kosten: Die Umsetzung wenig origineller kreativer Ideen birgt tendenziell geringere Risiken als das Verfolgen hochinnovativer Ansätze. Bei Misserfolgen steht man bei eintönigen Ideen praktisch wieder am Anfang, ohne große Veränderungen vorgenommen zu haben. Innovative Ideen hingegen bringen meist größere Veränderungen und somit auch größere potenzielle Nachteile mit sich.
  • Leichtere Entwicklungsfähigkeit: Alltägliche Kreativität ist oft einfacher zu entwickeln, da sie weniger Wissen und kreatives Potenzial erfordert. Es besteht ein starker Anreiz, sich auf diese Form der Kreativität zu verlassen, da weniger auf dem Spiel steht.
  • Verlockung der Effizienz: KI verspricht ein schnelles und unkompliziertes Generieren von Texten und Ideen, was die mühsame und manchmal frustrierende Arbeit des eigenen kreativen Prozesses umgeht. Die scheinbare Zeitersparnis und der sofortige Output sind auf alle Fälle sehr verlockend.

Kreativ bleiben – trotz KI: 7 praktische Ansätze

Um im Zeitalter der KI kreativ zu bleiben, bedarf es eines bewussten und ausgewogenen Umgangs mit diesen Technologien, die sich in 7 praktischen Ansätzen zusammenfassen lassen:

  1. KI als Impulsgeber, nicht als Vollender: Nutzen Sie KI gezielt zur Inspiration und Ideengenerierung, aber entwickeln und personalisieren Sie die Vorschläge weiter mit Ihren eigenen Gedanken, Erfahrungen und Ihrer individuellen Stimme.
  2. Selektiver Einsatz von KI: Setzen Sie KI nur für bestimmte Aspekte des kreativen Prozesses ein, während andere Bereiche bewusst rein menschlicher Kreativität vorbehalten bleiben. Konzentrieren Sie sich auf das Voranbringen Ihrer eigenen Fähigkeiten. Das gilt vor allem für  die Bereiche, die für Sie und Ihren einzigartigen Ausdruck wichtig sind.
  3. Hybride Ansätze: Kombinieren Sie KI-generierte Vorschläge mit Ihrer eigenen Bearbeitung und Verfeinerung. Dieser Ansatz kann besonders für weniger geübte Autoren zu Qualitätsverbesserungen führen, sollte aber immer darauf abzielen, die eigene kreative Leistung zu steigern und nicht zu ersetzen.
  4. Pflege der analogen Kreativität:
    Vergessen Sie bewährte analoge Kreativitätstechniken nicht. Das Sammeln von Ideen in Tagebüchern, das Clustern von Begriffen und die Strukturierung von Texten in Szenen sind weiterhin wertvolle Methoden. Auch kreative Zugänge speziell für wissenschaftliches Schreiben wie Freewriting und Logo-Übungen (Mindmaps, Skizzenworkshops, Wort-Assoziationsspiele) können helfen, Blockaden zu überwinden und die Kreativität zu fördern.
  5. Bewusstes Training der Kreativität:
    Betrachten Sie Ihr kreatives Potential wie einen Muskel, der trainiert werden muss. Fordern Sie sich bewusst mit kreativen Aufgaben heraus, die knapp über Ihrem aktuellen Niveau liegen. Schreiben Sie regelmäßig, experimentieren Sie mit verschiedenen Genres und Stilen, und scheuen Sie sich nicht vor dem Scheitern.
  6. Fokus auf den menschlichen Faktor: Kultivieren Sie Intuition und emotionale Tiefe. Beziehen Sie persönliche Erfahrungen in Ihr Schreiben mit ein, denn das sind die Bereiche, in denen KI nach wie vor Grenzen hat. Nutzen Sie Ihre einzigartige Perspektive und Ihre Fähigkeit zur Empathie, um Texte zu schaffen, die berühren.
  7. Kollaboratives Schreiben mit KI: Erkunden Sie neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine, bei denen KI als Co-Autor andere Perspektiven und Ideen einbringen kann. Achten Sie jedoch darauf, dass Ihre eigene kreative Stimme und Ihr Stil erhalten bleiben.

 

Frage 2: Verlieren junge Menschen ihr kreatives Potential angesichts der rasanten Entwicklung?

Um Kreativität im Zeitalter der KI zu fördern, sind Anpassungen in allen wichtigen Bereichen unseres Lebens notwendig.

Schulen und Universitäten

  • Integration von KI als Werkzeug: KI sollte als Hilfsmittel im Schreibunterricht gelehrt werden, wobei der Fokus auf dem kritischen Umgang mit KI-generierten Inhalten und der Entwicklung genuiner menschlicher Schreibfähigkeiten liegen muss.
  • Stärkung der Grundlagen: Die Vermittlung fundierter Kenntnisse in Grammatik, Stilistik und Erzähltechniken bleibt essenziell, um KI-Vorschläge kritisch bewerten und sinnvoll weiterentwickeln zu können.
  • Förderung kreativer Denkprozesse: Lehrmethoden sollten verstärkt auf  Ideenfindungstechniken, imaginatives Denken und den individuellen Ausdruck ausgerichtet sein.
  • Diskussion ethischer Dimensionen: Fragen zu Authentizität, Urheberschaft und dem Wert menschlicher Kreativität in einer von KI geprägten Welt müssen thematisiert werden.

KMUs

  • Strategischer Einsatz von KI: Unternehmen sollten KI gezielt einsetzen, um kreative Prozesse zu unterstützen und Effizienz zu steigern, ohne die menschliche Kreativität zu ersetzen.
  • Förderung menschlicher Expertise: Die Weiterbildung und Förderung der kreativen Fähigkeiten der Mitarbeiter:innen bleiben entscheidend, um einzigartige und innovative Lösungen zu entwickeln.
  • Schaffung von Freiräumen für Kreativität: KMUs sollten Umgebungen schaffen, die zum Experimentieren, zur Finden von Ideen und zum Austausch anregen. So kann sich die menschliche Kreativität entfalten.
  • Bewusstsein für die Gefahr der Homogenisierung: Unternehmer:innen sollten sich der potenziellen Gefahr bewusst sein, dass der übermäßige Einsatz von KI zu uniformen Inhalten führen kann. Es gilt, Strategien zu entwickeln, die Vielfalt und Originalität gewährleisten.

Wie sieht die Kreativität der Zukunft aus?

Die Integration von KI in kreative Prozesse ist ein fortlaufender Prozess – mit Chancen und Risiken. Ein bewusster und reflektierter Umgang mit KI-Technologien wird entscheidend sein. Es gilt, die Vorteile der KI zu nutzen, ohne die Entwicklung genuiner menschlicher Kreativität zu vernachlässigen. Die Zukunft des Schreibens wird wahrscheinlich eine neue Ebene der Zusammenarbeit zwischen menschlichen und KI-Autor:innen erleben.

Möchten Sie lernen, wie Sie KI als Werkzeug nutzen können, ohne Ihre eigene kreative Stimme zu verlieren? Wollen Sie Ihre analogen Kreativitätstechniken auffrischen und neue Wege finden, um Ihre Ideen sprühen zu lassen? Dann lade ich Sie herzlich zu den Schreibatelier-Workshops zum Thema „Kreatives Schreiben“ ein! Hier erhalten Sie praktische Werkzeuge, inspirierende Impulse und den Austausch mit Gleichgesinnten. So stärken & entfalten Sie Ihre Kreativität im digitalen Zeitalter. Bleiben Sie neugierig, bleiben Sie menschlich und bleiben Sie kreativ!

Ich freue mich auf Sie!

Dr. A. – Heidemaria Abfalterer – Schreibatelier Tirol